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FOG BALLETT
Nebel und die Aufhebung von Raum: Im September wurde im Rahmen von STWST48x2 das Fog Ballett als Rauminstallation mit 2D-Brille gezeigt. Tanja Brandmayr über ihr Projekt, ein Quasi-Hologramm, menschliche Intentionen, einen umgedeuteten Ballettbegriff und den dialectic turn.
Quasikunstprojekt: Fog Ballett, Rauminstallation mit 2D-Brille, Stadtwerkstatt 2016;
Nebel, Bewegungssequenz, Projektion, verschiedene Materialien, Text, 2016
FOG BALLETT
Raum
Im Raum war eine Nebelmaschine platziert, die konstant Nebel in den Raum blies. Der Nebelmaschine wurde ein Projektor beigestellt, der auf eine Verdichtung von Nebelschwaden ein Bild projizierte: das eines sich abwechselnd stehenden und sich bewegenden Körpers. Durch eine Situation von beiderseitig sich bewegenden Akteuren – ein bearbeitetes Bild eines sich bewegenden menschlichen Körpers und ein Trägermedium Nebel, der selbst permanent Form und Oberfläche änderte, entstanden Effekte von räumlicher Wahrnehmung. Zwischen der Primitivität der Mittel und einem ausgetüftelten Setting, das sich über mehrere Stunden im Innenraum stabilisierte, entstand als Nebel-und-Licht-Zufallszauber inmitten von Dunkelheit ein Quasi-Hologramm einer menschlichen Figur. Mit einer sich doppelt bewegenden Figur und bemerkenswerten Effekten von Dreidimensionalität. Das »Hologramm« war allerdings selbst wiederum nur von einer einzigen Perspektive zu sehen – und damit war die Frage gestellt, was wir überhaupt in unseren Realitäten zu sehen imstande sind, besonders wenn diese Realitäten diffus werden.
In der speziellen Situation des Raumes, auf den diese Arbeit ausgerichtet war, war diese Nebel-Situation zudem einerseits durch ein großes Glasfenster zu beobachten, das den Raum innen, an einer Seite zum Foyer, abschließt, während man auf der anderen Seite des Außenfensters bereits von weitem zur Stadtwerkstatt kommend, zu erkennen glaubte, dass hier das Haus quasi »brannte«: Rauchwolken traten durchs Fenster aus, und mussten austreten, um die Situation im Innenraum stabil zu halten.
Auf der einen Seite durch ein Glasfenster abgeschlossen und durch ein »glatt« einsehbares Interface als räumliche Reduktion einsehbar (der Nebel hebt den Raum auf), gebärdete sich der Raum auf der anderen Seite des rauchenden Fensters skulptural wild – als pulsierendes Zitat auf Brand, Katastrophe oder Maschinenzeitalter. Sprich, während wir uns auch fragen können, was wir überhaupt in unseren glatten Realitäten zu sehen imstande sind, und während wir etwa an der Glas-Innentür des Raumes die feine Balance beobachten konnten, dass, während ein Mensch den Raum betritt, am Eingang eine kleine Menge Rauch austritt, also diesen zarten Austausch, müssen wir anerkennen, dass auf der anderen Seite (des Fensters und des Außen) diese Realitäten, in denen wir leben, quasi immer noch mit Maschinenaufwand und innerhalb einer in jede Richtung brutalen ökonomischen Wertschöpfungskette hergestellt werden.
Fog
Nebel als Akteur im Innenraum: Zuerst zeigen sich Rauchwolken als immer wieder sich neu formierende dreidimensionale Zufallsgebilde. Die Schwaden verschleiern, verstecken, machen unsichtbar. Zunehmend befüllt der Nebel den Raum und wird zu einer gleichverteilten dichten Masse. Er hebt den Raum auf, in dem er ihn gleichermaßen verbindet und unsichtbar macht. So das Verhalten des Akteurs Nebel im Raum, sofern nicht eingegriffen wird. Der Nebel war bei Fog Ballett allerdings nicht nur unbeeinflusst diesem Prozedere ausgesetzt, sondern es sollte ein derartiger Zustand von Nivellierung vermieden werden, damit der Nebel überhaupt Trägermedium einer Projektion werden konnte. Durch Verwirbelung rund um eine Kugel, sowie durch Zirkulation von Innen- und Außenluft wurde eine fein ausbalancierte Situation hergestellt, die eine Projektion erst möglich machte: Erst in diesem stabil gehaltenen Ungleichgewicht, das entgegen eine Gleichverteilung im Sinne einer statisch gewordenen »Entropie« und auch einer Nivellierung von Raum und Material arbeitete, konnte ein menschlicher Körper sichtbar werden. Dieser menschliche Körper als Co-Akteur konnte so erst seine Stellung als Akteur im Corps de Ballett behaupten. Er zeigte sich in einer Bewegungsschleife aus abrupt sich einleitenden Bewegungen, die in sich Zirkulation andeuteten, und andererseits in einem Stehen, das seinerseits zur Projektionsfläche für die Nebelbewegungen wurde. Innerhalb der Projektion entstanden in sich gegensätzliche Bewegungen der beiden Akteure Nebel und Licht.
Quasi in zauberischer Verschleierung kann dies als halbwegs dramatische Behauptung des klassischen menschlichen Akteurs gelesen werden – innerhalb einer Projektionsfläche, die diffus verbindet und aufhebt, und die, was in der Natur der Sache liegt, in sich flexibel, keine fixen Flächen zu bilden imstande ist: So ist die sprachliche Wendung »Behauptung des menschlichen Akteurs« durchwegs nicht nur in seiner Fiktionalität gemeint, sondern schlichtweg als Behauptung der menschlichen Figur per se – Behauptung im Sinne ihrer Weigerung zu verschwinden. Natürlich markiert der Zauber der Gratwanderung dieser dennoch diffus wie dreidimensional wirkenden Erscheinung, der Zauber der Etablierung einer solchen Figur auf und in ein neues Medium den interessanten Punkt – letzten Endes auch als ein Zitat auf ein nicht verschwinden wollendes und könnendes Individuum.
Was allerdings liegt dahinter, was liegt darunter? Wir haben es mit Nebel als Material zu tun, einem maschinell erzeugten Nebel, der, wie bereits oben angedeutet auch im Austreten durch das Fenster immer noch als Steam Machine gelesen werden kann. Andererseits markiert der Nebel im Raum in sich die beiden Gegenätze seiner eigenen Existenz als der Akteur, als der er ausgerufen wurde, und ist andererseits Medium, der den Raum gleichermaßen verbindet wie aufhebt. Man könnte meinen, dass diese Aussage des gleichzeitigen Verbindens und Raum Aufhebens auch auf den Begriff Netzwerk zutrifft – er fiele dann als Akteur und Netzwerk ineinander – und in diesem Sinne bildet der Nebel hier Kommunikation mit allen seinen Akteuren im Nebel-Ballett, die da wären: Innenraum wie Außenraum, mit Luftzug, Temperatur und Wetterverhältnissen, oder auch im Innenraum Licht, Projektion und ZuseherInnen. Jedenfalls: Etwas ist passiert (in dieser Szenerie), während doch nichts mehr zu passieren droht (in dieser Gleichverteilung, Nivellierung). Dieser Nebel verbindet die Dinge diffus, während der einzig interessante Fokus dort liegt, wo die Projektion stattfindet: Dort, wo der Blick auf den zufällig sich kreierenden Schwaden und Verwirbelungen im Licht liegt, und andererseits diese menschliche Figur im Fokus ihres gerade-nicht-Verschwindens, bzw ihrer gerade-schon-Etablierung liegt, nur dort passieren die Dinge, die nicht egal sind. Und in diesem Blick, in dieser existenziell fragilen Balance des Daseins oder nicht-Daseins liegt die Ruhe verborgen, die eigentlich brüchige Wahrheit innerhalb unseres Systems, das an sich am Abgrund steht, während einem rundum die Wahrheiten nur so um die Ohren geblasen werden. Und der Mensch im Gebläse der Wahrheiten schüttelt den Kopf wie eine Katze, der man ins Ohr bläst. Leider aber kann man dann nichts hören.
Fläche
Beigelegt war der Rauminstallation eine so genannte, selbst gebastelte 2D-Brille, die als simple No-Tech-Pappendeckelbrille lediglich ein Auge freiließ. Dieser gute oder schlechte Witz einer freiwilligen Reduktion auf sozusagen ein sehendes Auge, dieser vorgeschlagene Verzicht auf zwei Bilder, die in nicht ganz deckungsgleicher Perspektivenverschiebung im menschlichen Gehirn erst dreidimensionale Raumwahrnehmung möglich macht, spielte mit dem Wechselspiel zwischen Raum und Bild, also ebenfalls zwischen 3D und »2D«. In gewisser Weise war das Fog Ballett auch hier eine Quasi-Inszenierung von Raum, von Dimension, Reduktion, Aufhebung, Erweiterung, Innenraum, Irrationalität und Kritik. Während sozusagen »in Realität« gerade wieder ein interessanter Hype von 3D-Technologie stattfindet, handelt es sich bei dieser Pappendeckel-2D-Brille um eine bewusst gesetzte Reduktion, die einerseits auf Technologie referiert, die es als diejenigen Brillen schon gibt, und die ihrerseits auf einem Brillenglas ein Netzinterface vorschieben. Ohne weiteren Kommentar dazu. Durch Umkehrung, Reduktion und Erweiterung werden auch hier die Widersprüche zwischen Abstraktion und menschlicher Dimension hin- und hergeschoben. Die 2D-Brille hier ist jedenfalls trockener Witz und zeitloses Statement auf die Abflachung von Welt. Behauptung ist hier die Thematisierung von Dimension – zwischen barbarischer Belanglosigkeit, konkret einer rasenden Technologieentwicklung und einer parallelen Durchrationalisierung aller Lebensbereiche, und dennoch wieder die Behauptung eines menschlichen Innenraums hinter dem sehenden Auge. Die 2D-Brille spielt mit paradoxer Kreation von dreidimensionaler Abbildung. Sie reduziert sich freiwillig. Darunter und dahinter liegen aber wieder andere Dinge, auf die es ankommt, bzw. die schlichtweg in ihrer Unsichtbarkeit vorhanden sind.
Ballett
Wie soll Nebel eigentlich tanzen lernen? Noch ein guter Witz in diesem Text, denn soviel ist klar: Er tanzt doch. Das Ballett als Begriff ist jedenfalls Platzhalter, der gerade wegen seiner offensichtlich hier nicht vorhandenen üblichen Bedeutungsaufladung des Tanzes etwas freihält. Wie bereits oben angesprochen: Das Ballett besteht aus Akteuren in Bewegung und Austausch: Innenraum, Außenraum, Nebel, Licht, Projektion, Perspektive, ZuseherInnen, und auch Dingen wie Nebelmaschine, Ventilator, etc. Jedenfalls: Das ist der freigemachte Ballettbegriff. Das Ballett bezeichnet ein Zusammenwirken von verschiedenen Bestandteilen und anderen Akteuren, auch sehr weit auseinanderlaufenden, und letzten Endes führt das zu einer menschlichen Natur und bis zum widerständigen Individuum. Das ist wohl das dahinterliegende Bedeutungstheater, das konstant beim Fog Ballett ausgerufen wird – und bezeichnet auch den angedeuteten dialectic turn, der die allseits vorhandenen, unauflöslich sich verbunden habenden Widersprüche in einem neuen Sinne behandeln muss, indem er ihnen eine Richtung eines neuen Materialismus gibt, der den Menschen zuträglich ist.
Selbst schon in seiner romantischsten Ausrichtung verband dieser Ballettbegriff die wahnwitzigen Gegensätze von großer körperlicher Disziplin, andererseits großer Emotion. Bei Choreographie geht es immer um Zeit und Raum, um Form und Geometrie. Die basale Geometrie in der Romantik war die der vertikalen Körperachse und der vertikalen Haltung. Kopf als Geist stand immer über Körper. Körper wurde allenfalls geneigt und gedreht. Der wahnwitzige Versuch, nun auf Spitzenschühchen noch weiter nach oben zu wollen, lässt sich dementsprechend als Gegenbewegung zu einem emotionalen Inneren lesen. Das ist meiner Meinung nach das eigentliche großes Drama der Romantik. Jedenfalls sind diese grundsätzlichen Gegenbewegungen interessant. Und genau an dieser Thematik von grundsätzlichen Gegensätzen schließt auch das Nebelballett an. Indem es den Ballettbegriff als strukturelle Leerstelle für eine andere Art des Zusammenwirkens nimmt und dann die Akteure und Komponenten komplett umbesetzt – und sich in Folge auch eine andere Erzählung mit anderer Dramaturgie aufbaut.
In gewisser Weise ist das Nebelballett auch ein Symbol einer ganz anderen Form von Akteur, oder von Organisation, also der Organisation eines Akteurs, der ja keinen festen Körper mehr besitzt. Der an sich die Gegensätze eines Akteurs, der gleichzeitig sein Medium ist, behauptet. Das ist das eine. Es baut diese Gegensätze in den Raum ein, die bereits angedeutet wurden: Räumlichkeit, Abflachung, die Aufhebung des Raums, die Gleichsetzung von Akteur und Medium, als Rauch und Nebel außerdem als Phänomen von Natur und Industrie gleichermaßen, quasi Dampfmaschinenzeitalter und Morgennebel in einem, quasi beginnende Industriegeschichte und zeitlose Natur; Das wäre dann einerseits der Zauber und andererseits das heutige Drama: Besonders eine recht heutige Gleichsetzung von Akteur und Medium, also eine Nivellierung, die Entropie alias Gleichverteilung, in der nichts mehr geht, also auch keine Projektion mehr funktioniert, und trotzdem Magie unter bestimmten Umständen entsteht – das braucht aber recht diffizile Voraussetzungen; und Kenntnisse über die vielfältig beeinflusste Materie, die sich zu einem gewissen Grad auch zufällig verhält.
Ein anderes Drama ist lediglich als zusätzliches Bild entstanden. Es schließt an die Ballettthematik der Kopf-Körper-Vertikale an. Zwischen die Vertikale von >head< und >body< schiebt sich sozusagen eine »ToE«. Als Hoffnung innerhalb einer allumfassenden Rationalisierung ist eine »Theory of Everything« somit an einen irrationalen Platz gelangt. Weiteres Bedeutungstheater der weit auseinanderlaufenden Gegensätze also – und ihrer neu auszurufenden Verbindungen in anderen Anordnungen.
Kugel
Ein Wikipedia-Zitat aus der Akteur-Netzwerk-Theorie, also der ANT: »Objekte, die das Soziale binden, tragen und erzeugen, werden manchmal auch als Quasi-Objekte bezeichnet. Dieser Begriff ist von Michel Serres entlehnt und erfasst beispielsweise die Rolle eines Balls in einem Ballspiel. Dieser ist mehr als ein Mitspieler, ihm jagen die Spieler nach, er verbindet sie untereinander als Spieler und Gegner. Ein Quasi-Objekt ist ein das Soziale oder das Kollektiv webendes Objekt.«
Es ist kein Zufall, dass sich im Nebelballett die Akteure, die Spieler, Tänzer, die Dinge auf ähnliche Weise verstanden wollen wissen. Es gab dazu bereits einige Projekte und Texte und nicht umsonst ist dieses Projekt als Teil von STWST48-Quasikunst-Reihe gelaufen. Dementsprechend war »Quasikunst« formuliert als, »a research initiative, conceived by Tanja Brandmayr for Stadtwerkstatt. Quasikunst in its research mode collects projects of low tech/no tech which position themselves in new art contexts. There is a loose reference of Quasikunst to the existing terms of quasi objects and the irrational connections beneath a surface of rationality. While its dialectic turn can be considered very well known, on the other hand, it is an advanced form of it, aiming to construct a complex and extreme opposite way of thinking – like inconsistent oppositions talking on irrational contexts. Or opposite systems are correlating diffuse, creating paradox connections under a simple (or even mechanical) surface. So opposites are confronting each other, there is no solution in yes or no.«
Mit dieser Thematik der »loose reference to the existing term of quasi objects« soll nun als letztes Element dieses inszenierten Bedeutungstheaters einerseits das Bild des Balls aufgenommen werden – und es wird ebenso »eine loose reference« auf ein Objekt gesetzt, das üblicherweise im Saal der Stadtwerkstatt hängt, in genau jener Anordnung, wie am Bild ersichtlich. Diese Kugel wurde abmontiert und wurde später in der Installation jenes Element, an dem der Nebel verwirbelt wurde, um überhaupt eine sich verdichtende Wolke entstehen zu lassen, auf die konstant projiziert werden konnte. Mit diesem Element soll weiters aber nicht nur das verbindende Element des Balls im Spiel, sondern das dramatische Element der einander weit entgegenstehenden und weiter auseinanderdriftenden Gegensätze inszeniert werden – also eine weitere Inszenierung von dramatischer Welt-Fallsetzung. Aus einem Zufall heraus haben sich während der Erarbeitung und Probenphasen des »Fog Balletts« im Frühjahr verschieden Verbindungen zu Wittgenstein eingestellt, bzw zu seinem ersten berühmten Satz des »Tractatus logico-philosophicus«: »Die Welt ist alles, was der Fall ist«. Wir nehmen also diese Kugel in ihrem natürlichen Habitat und nennen das die absolute Welt-Fallsetzung. Wir nehmen den Satz und kreieren zwei abgespaltene dunkle Bedeutungssatelliten, die auf die Weltfallsetzung mit zwei manipulierten, mutierten, paraphrasierten Aussagen einstrahlen: »Die Welt ist alles, was Zerfall ist« sowie: »Die Welt ist alles, was einem einfällt«. Es ist so, als ob sich die beiden Aussagen, hier auf eine sich drehende Spiegelkugel geworfen, zu einer bedenklichen Rückspiegelung von Negation und Idiotie entwickelt hat, die sich allerdings in regelmäßiger Drehung beständig weiter im Raum verbreiten. Diese Welt-Fallsetzung konfrontiert mit tödlichem Zerfall und dem zufälligen Momentum von permanent zündender Banalität setzt jene Drastik frei, die uns umgibt. Körper und Grundlagen fallen auseinander, können sich nicht mehr formieren. Dahergedachtes erzeugt Beliebigkeit. Das alles erzeugt quasi gleichverteilte Raumoberflächen, also eine Pathologie der Logik, die letztenendes reales Elend kreiert. Es scheint, dass sich diese Zustände bereits nebelhaft und entropisch gleichverteilt haben und eine diffuse Atmosphäre der Handlungshemmung hinterlassen haben. Bei diesem Exempel einer neuen Welt-Fallsetzungen hat einen jedenfalls entweder der gute Geist oder überhaupt der Geist verlassen. Die neue Dialektik der Logik also – Altar der Rationalisierung und gleichzeitig Abgesang. Weiter angetrieben von geschichtslosen und menschenleeren Automatismen.
Dieses Wittgenstein-Zitat ist deshalb interessant, das ist zumindest der Ansatz dieser Überlegung, dass der Tractatus in gewisser Weise als Programmiersprache gelesen werden kann: Es waren logisch aufgebaute Sätze und Satzhierarchien. Und es gibt ja diese Freundschaft Wittgensteins mit dem Mathematiker Bertrand Russell, der seinerseits ein mathematisches Axiomensystem, die »Principia Mathematica« und einen »logischen Atomismus« verfasst hat, was zuerst und längere Zeit kaum jemand interessiert hat. Später kamen aber etwa Gödel, Turing, aber immer noch ganz wenige Leute haben verstanden, was da überhaupt gemacht wurde. Und aus dieser filigranen Geschichtslinie dieser wenigen Wissenschaftler wurde quasi Rechenmaschine, PC und Internet … Und am Ende steht dieses gleichverteilte Nichts von Automatismen-Entropia. Insofern ist dieses »Die Welt ist alles, was der Fall ist« in meiner Inszenierung im Zeitraffer zu sehen – es hat den Logikaufbruch zu einem Logikabgesang gemacht, zu Zerfall und Beliebigkeit. Denn inzwischen wurde aus Philosophie und Logik der Computer und die Digitalisierung der Welt, die fortschreitende Verrechnung und Verramschung des Raumes auf Nulldimension-Innenraum. Die Kontrolle des menschlichen Inneren. Insofern ist die Welt nicht mehr alles, was einmal der Fall war. Wittgensteins anderer berühmter früher Satz »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen«, ein Satz, der die Logik quasi totalitär macht, wurde auch damit ergänzt, dass die Dinge, über die man nicht sprechen könne, die einzigen wären, die wahrhaft wichtig sind. Leider wird ein solches Schweigen gerne als irrational und irrelevant disqualifiziert. Schweigen wäre demnach aber der wichtige Kontrapunkt zum logischen Sprechen – und alles, worüber man nicht logisch sprechen könne, würde alle Momente von Irrationalität, Unentschiedenheit, Magie, Wunder, Mystik, Kunst, Poesie, Musik, Träumen und auch Schmerz inkludieren. Was natürlich auch die Kunst weiß. Oder auch die neue irrationale QuasiKunst-ToE zwischen >Head< und >Body<.
Am Ende
Will noch gesagt sein: Dass die Beschäftigung mit so hermeneutischen Dingen wie Kunst etc. auch in einem noch dramatischeren Ausmaß gegen andere Dinge steht. Denn obwohl es gerade in der Kunst um möglichst genaue Benennung von Dingen gehen muss, oder um Substanzen und Medien, die quasi heutiges Material darstellen sollen, sollte man die Welt hereinnehmen und muss gleichzeitig dennoch anfügen, dass vielen Menschen Kunst herzlich egal ist. Gerade heute, und wie es sich ganz bizarr darstellt, dass sich Menschen in einer Art Alltagsdramatik aber überhaupt lieber ein Gewehr kaufen um Schießübungen zu machen, damit sie für einen Bürgerkrieg oder überhaupt den dritten Weltkrieg gerüstet sind, scheint das so. Das sind die realen dramatischen Entwicklungen, um die Unworte zu bemühen: die realen dramatischen Entwicklungen in der postfaktischen Vernebelung. Gleichsam der diffus verbindende Nebel mit brisanten Gefühlen und Meinungen drinnen, die als einziges noch gelten, weil sich eben kaum mehr etwas formieren kann in diesen nivellierten Zuständen. Zustände, die sich irgendwie formieren möchten, aber zu nichts werden, außer zu verzerrten und verunglückten Projektionen. Das ist alles bizarr und unglaublich. Ja, ein neuer dialectic turn wäre angesagt, ein neuer Materialismus. Geschichte, Aufschichtung und Wissen. Verantwortung. Fragmentierung und Dekonstruktion sind die Dinge, die wir sowieso haben. Es wird sich etwas bewegen müssen. Wahrscheinlich sollte man als ganz Erstes zu alldem aber schweigen. Idealerweise wäre das in vielen Situationen der Betrachtung der Fall, oder bei einem Text wie diesen, wenn man ihn in seiner nebulösen Wanderung gerne geschrieben hat und dann ratlos endet – oder ihn gerne gelesen hat und anschließend aber keine Ahnung mehr hat, was drinnen gestanden ist. Also zum Beispiel jetzt.
Spatial Turn is over.
Im März 2018 wurde das Nebelballett in einer weiteren Version in der gfk gezeigt. Text im gfk-Magazin – Verschwinden #1 2018, Seite 22/23
Victoria Windtner hat dazu in ihrem Blog einen Text geschrieben.
Mehr über Quasikunst auf dieser Intro-Seite und im Stadtwerkstatt-Kontext.